Besuchsbericht Myanmar – Februar 2024 – Susanne Schroff
Liebe Freundinnen und Freunde der SANNI Foundation
Im Februar besuchte ich die Projekte der SANNI Foundation in Myanmar. Seit dem Militärcoup sind drei Jahre vergangen und ich dachte, dass irgendwann auch so etwas wie Normalität einkehren würde.
Die Lage in Myanmar erreicht eine Dimension an Armut und Hoffnungslosigkeit, die ich noch nie zuvor erlebt habe. Ein Grund zum Aufgeben? Im Gegenteil: Unser Engagement zeigt den Menschen in Myanmar, dass wir sie nicht vergessen haben.
Herzlichen Dank, dass Sie an unserer Seite bleiben und durch Ihre Spende das Leben vieler Menschen in Myanmar nachhaltig verändern.
Mit hoffnungsvollen Grüssen,
Ihre Susanne Schroff
«Es gibt Neuigkeiten» sagt Nu Nu nach der herzlichen Begrüssung, als sie mich am Flugplatz in Yangon abholt. Nu Nu betreut unsere Kinderprojekte vor Ort. «Was gibt es denn?» frage ich.
Als wir im Auto sitzen, erzählt Nu Nu: «Seit gestern gibt es eine neue Regelung. Das Militär zieht ohne Vorwarnung Männer und Frauen ein. Sie müssen dann kämpfen.» Wie bitte? Nach der langen Reise bin ich müde und kann diese Information nicht richtig einordnen.
Im Büro von MAM (Medical Action Myanmar), unserem Partner vor Ort seit über 10 Jahren, erfahre ich mehr über die neue Regelung. Das Militär kann Männer zwischen 18-35 und Frauen zwischen 18-27 jederzeit einziehen. Ärzte müssen bis zum Alter von 45 Jahren Dienst leisten, auch wenn sie nicht wollen». Dr. Frank Smithuis, Mitbegründer von MAM, ist besorgt. «Die meisten unserer Mitarbeitenden sind in dieser Altersklasse und haben Angst. Es herrscht eine grosse Verunsicherung.»
Der Aufbruch war von kurzer Dauer
2012 die ersten freien Wahlen nach 60 Jahren Militärdiktatur: Das Konterfei von Aung San Suu Kyi war überall zu sehen. Die Tochter von Aung San, einem wichtigen Vorkämpfer für die Unabhängigkeit Burmas, gewann auf Anhieb einen Sitz im Parlament. Ihre Partei, die Nationale Liga für Demokratie, errang 2015 sogar die absolute Mehrheit im Parlament, das Militär blieb mit 25% in der Regierung. Von Jahr zu Jahr erlebte ich, wie sich das Land veränderte. Hotels aller Klassen schossen aus dem Boden, Touristen und Investoren strömten ins Land. Es herrschten Optimismus und eine Hoffnung, die durch und durch inspirierend war und ich noch nie zuvor in einem Land erlebt hatte!
Dann: 2020 Covid, 2021 der Militärcoup, Bürgerkrieg und Aung San Suu Kyi wurde verurteilt. Viele junge Menschen verliessen seitdem das Land und nun diese neue schreckliche Wendung.
Ein Fenster der Freude für Kinder aus den Slums
Den nächsten Tag verbringen wir mit 50 Kindern aus unserem Slum-Projekt in einem Park, alle tragen das gleiche T-Shirt. Diese Kinder wohnen im Slum von Hlangthair, dem grössten in Yangon. Sie haben ansonsten keine Möglichkeit, den Slum zu verlassen. Die Mitarbeitenden von MAM animieren zu lustigen Spielen, wir machen Tiere nach und vieles mehr. Ich sehe die Kinder lachen, es tut der Seele gut und trotzdem fühle ich mich schwer und traurig. Die Armut ist unvorstellbar gross, viele Kinder sind allein gelassen, ihre Eltern schlicht überfordert. Myanmar und seine Menschen brauchen unsere Hilfe mehr denn je!
Besuch in der Lotus Klinik und im Motherhouse
Am Nachmittag besuche ich die mit der Unterstützung der SANNI Foundation 2014 erbaute und seither mitfinanzierte Lotus Klink. Der Warteraum ist voll, die Menschen sind auf diese kostenlose medizinische Unterstützung angewiesen. Jährlich werden 40’000 Patientinnen und Patienten kostenlos betreut.
Anschliessend geht es weiter zum Motherhouse. In diesem Kinderheim dürfen dank der SANNI Foundation 16 Kinder in einem behüteten Umfeld aufwachsen. Sie bekommen nicht nur Nahrung, Kleidung und Bildung, sondern auch viel Liebe und Aufmerksamkeit. Das spürt und sieht man sofort!
Sie alle warten am Eingang aufgeregt auf unser Kommen. Die Kinder sind festlich gekleidet und geschminkt, wie es in Myanmar Brauch ist. Nach der Begrüssung zeigen sie uns ihre einstudierten Tänze. Sie lachen und freuen sich – genauso sollten alle Kinder aufwachsen dürfen!
Danach zeigen die Kinder mir, wie sie gelernt haben, Seife herzustellen. Alle sind eifrig dabei. Ich treffe auch einige Jugendliche, die bereits aus dem Patenschaftsprogramm entlassen wurden. Und das Schönste dabei ist: Diese können aufgrund der Bildung oder Ausbildung, die sie dank ihrer Patinnen und Paten erhielten, heute ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und darüber hinaus für ihre Angehörigen sorgen.
Ungewisse Zukunft für ein wunderbares Land
Wie soll das weitergehen? Am Abend gehen wir mit dem Team von MAM essen. Manche kommen nicht, da sie Angst haben, nachts vom Militär einbezogen zu werden. Frank erzählt, dass einer seiner engsten Mitarbeiter nun endgültig beschlossen hat, nach Thailand auszuwandern.
Im Hotel bin ich die einzige Nicht-Asiatin. Am nächsten Morgen besuche ich die Shwedagon Pagode. Dieser Ort hat etwas sehr Friedliches, wie ich es nur von Orten in Myanmar kenne. Fremde Menschen sprechen mich an und bedanken sich, dass ich ihr Land besuche. Es muss furchtbar sein, wenn man das Gefühl hat, von der Welt vergessen zu sein.
Zum Mittagessen treffe ich den Schweizer Botschafter, der die gesamte COVID Zeit und auch nach dem Coup im Land geblieben ist. Die Schweizer Botschaft spielt eine wichtige Rolle bei den Bemühungen um Konfliktreduktion und mehr Frieden. «Wissen Sie, im Grunde meines Herzens bin ich Optimist. Auch dieser Kampf wird irgendwann enden, doch leider wird es noch etwas dauern.»
Die Menschen in Myanmar brauchen uns mehr denn je
Am Abend esse ich mit Leuten aus der Business Community und erfahre, wie es ist, als Unternehmer in Myanmar tätig zu sein. Die Situation ist auch für sie schwierig und es braucht viel Geduld und Flexibilität. Doch die Unternehmerinnen und Unternehmer finden meist einen Ausweg. Wer in diesem Bürgerkrieg leidet, sind die Ärmsten der Armen. Und sie brauchen unsere Unterstützung mehr denn je. Die Kinder und deren Familien in Myanmar haben es verdient, dass man sie nicht vergisst und ihnen etwas Hoffnung und Zuversicht schenkt.
Medical Action Myanmar (MAM)
Dr. Frank Smithuis und Dr. NiNi Tun sind die Gründer und Leiter der Organisation Medical Action Myanmar. Frank und NiNi waren beide bei «Ärzte ohne Grenzen» und betreiben ihre eigene Non-profit Organisation seit 2009. MAM beschäftigt heute 1200 Personen, betreibt 20 Kliniken im ganzen Land und organisiert 2200 Health worker, die im ganzen Land verteilt tätig sind. MAM führte allein 2023 unglaubliche 2 Millionen Behandlungen durch.