Maximilian Schroff – Wöchentlicher Bericht Nr. 2
In meiner zweiten Woche in Indien ist es mir wesentlich einfacher gefallen, eine Überschrift für meinen wöchentlichen Bericht zu finden. Ich habe mir vorgenommen keine wichtigen Informationen auszulassen. Da ich letzte Woche sehr wenig über meine persönlichen Erfahrungen geschrieben habe, werde ich die letzten zwei Wochen zusammenfassen.
Als erstes möchte ich über eine 180 ̊ Wendung meines Tagesablaufes berichten. Vieles ist hier sehr bescheiden und natürlich. Zum Beispiel, dass man keine Dusche hat, sondern sich mit einem Eimer und einem Lappen wäscht. Oder die Tatsache, dass man die meiste Zeit barfuss läuft, oder man nur mit der rechten Hand isst. Auch dass man so nah mit der Natur zusammen lebt, dass man allen möglichen Arten von Tieren begegnet, von Ameisen über riesige Spinnen bis zu meterlangen Schlangen. Dies sind die grössten Umgewöhnungen hier. Dies beinhaltet aber auch die Fussballspiele, welche auf einem extrem harten Feld sind und die Tore aus Steinen und Ästen gemacht wurden.
Dies ist schon alles sehr aufregend jeden Tag, aber noch aufregender waren die kleinen Ausflüge die ich gemacht habe. An einem Tag habe ich um 6 Uhr Fischer beobachtet wie sie mit ihren kleinen Holzbooten auf das offene Meer gefahren sind und als sie zurück kamen den frischen Fisch auf den sandigen Boden geworfen haben und sofort damit begonnen haben ihn zu verkaufen. Ich habe auch völlig unberührte Strände gesehen, welche in ihrer Schönheit unvergleichlich sind. Genauso habe ich auch das totale Gegenteil in Touristenvierteln gesehen, in denen hunderte Menschen waren und das in der Nebensaison. Es ist das typische asiatische Touristen Image: Viel Show für wenig Geld. Wie auch immer, für diese Shows bin ich nicht gekommen, aber für die Show die einem auf indischen Strassen geboten wird. Ein Beispiel hierfür ist, obwohl ich Deutscher bin, fühle ich mich bei 50km/h unsicher, natürlich hat es in Indien Verkehrsregeln, aber nur 20% befolgen diese und von den restlichen 80% sind 30% völlig verrückt. Dazu kommt, dass es sehr viele Baustellen gibt, jedoch ohne Schutz oder Barrieren.
Aber da alle Menschen hier mit so einer Freude durch das Leben gehen und immer ein Lächeln im Gesicht haben, vergisst man für einen Moment das Chaos und man realisiert, dass die Menschen mit der Einfachheit sehr glücklich und zufrieden sind. Dieses Bild wird in St.John’s besonders deutlich, da die Menschen noch weniger haben und dennoch jeden Tag lächeln und glücklich sind. Umso länger ich hier bin, desto mehr wird mir klar, wie besonderes Father Jose wirklich ist. Er stellt seine Bedürfnisse hinter alles und leistet herausragende Arbeit. Das beste Beispiel hierfür ist, dass er sein komplettes Vermögen der Kirche gespendet hat, da ihm Liebe wichtiger ist als Geld.
An diesem Punkt möchte ich erzählen was letzten Samstag passiert ist. Es war Unabhängigkeitstag in Indien und deswegen hat jeder frei bekommen um diesen auch zu feiern. Am Abend sass ich mit Kinder zusammen, als eine junge Frau mit dem traurigsten Gesicht, welches ich jemals gesehen habe, an uns vorbei ging. An diesem Abend war ein relativ grosses Fest der Kirche im Dorf mit einer Messe, Gesang, Tanz und gemeinsamen Essen. Dort waren alle Kinder von St. John‘s und 25 weiter Familien aus der Umgebung versammelt; sogar Hindus und Muslime (bis es zu den Aufführungen und dem Essen kam) sind gekommen. Nach dem Fest erzählte mir Father Jose, dass heute eine junge Muslimin (23, die junge Frau die ich zuvor sah) zu ihm kam und ihn um Hilfe bat. Ihre ganze Familie ist an HIV gestorben und sie kann nicht mehr arbeiten da sie mittlerweile zu schwach dafür ist. Und St.John’s ist die einzige Institution die einen Platz für HIV-Infizierte hat, Father Jose konnte die Hilfe nicht verweigern. So kam es dazu, dass eine junge Muslimin in einer katholischen Institution medizinische Hilfe für zwei Monate bekommt, damit sie nicht so endet wie der Rest ihrer Familie.
Dies macht mich sehr stolz einen Teil dazu beitragen zu können an dieser wundervollen Arbeit.
Mit freundlichen Grüssen aus Indien,
Maximilian Schroff